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Ein psychosoziales Gesundheitszentrum im Grünen: ABIS – Aufblühen Im Steinbruch

von Hans Christopher Bove (aus dem Team ABIS rund um Thomas Piller und Henri Altvater, das gemeinsam das Beratungszentrum aufbauen wird. Ergänzt wurde der Text mit Infos zu Rainmain’s Home von Anton Diestelberger)

Unter dem Stichwort „Neue Primärversorgung“ beschreibt die österreichische Sozialversicherung die neue Strategie in der Koordinierung gesundheitspolitischer Versorgung in Österreich. Die Gesundheitsreform hat zwei große Ziele: „die wohnortnahe, medizinische Versorgung im niedergelassenen Bereich“ und darauf folgend: „weniger stationäre Aufenthalte in den Spitälern“. Das im Ausbau der niederschwelligen und multidisziplinären Versorgung und Prävention von Erkrankungen, v.a. psychischer Erkrankungen, der Schlüssel zu einer Verbesserung der österreichischen Gesundheitsversorgung liegt darauf einigten sich Bund, Länder und Sozialversicherungsträger bereits 2012 in einer bedeutenden politischen Weichenstellung. Insbesondere ambulante Primärversorgung solle stark ausgebaut werden. Im Sommer 2017 einigte sich die Politik dann auf das verabschiedete „Primärversorgungsgesetz“ welches bis 2021 deutlich mehr Primärversorgungszentren österreichweit vorsah.

Die Folgen der Coronapandemie:

In der Folge der Covid-19 Pandemie flammt nun der Bedarf nach niederschwelliger psychosozialer Versorgung wieder spürbar auf. Ein Großteil der psychischen Folgen, die durch die Corona-Pandemie neu entstanden sind und bestehende Probleme verstärkt haben (v.a. in der Kinder- und Jugendbetreuung), trifft nun auf die unzulänglichen Versorgungsstrukturen der Republik Österreich, in welcher der Blick zunächst nur auf die ärztliche Primärversorgung gerichtet wurde. So stellt der ÖBVP (Österreichischer Verband der Psychotherapie) in der Nationalratssitzung vom 09.06.2021 eine parlamentarische Anfrage an den amtierenden Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein mit der Frage nach den „sich immer stärker bemerkbar machenden psychischen Folgen der Pandemie“ und welche Maßnahmen von ihm als Gesundheits- und Sozialminister gesetzt werden sollten, um diese zu bewältigen?

Der Berufsverband Österreichischer Psychologen und Psychologinnen (BÖP) hat in seinen berufspolitischen Zielen, gerade jetzt und gerade in der psychosozialen Versorgung von Kindern u. Jugendlichen, mit denen Österreich im Rahmen der Pandemie konfrontiert wird  schon längst eine Antwort auf diese Frage: Die Erweiterung des kassenfinanzierten „Primärversorgungszentrums“ um klinisch psychologische Diagnostik, Behandlung und Gesundheitsberatung verringert die Krankheitslast, verbessert die psychische Gesundheit in der Bevölkerung und entlastet somit auch das System durch abfallende Folgekosten.

Wie könnte so ein Primärversorgungszentrum aussehen? Das Projekt ABIS:

Die ÖGK weist hier Vorzeigemodelle wie das „Gesundheitszentrum Enns“ aus, welches unterschiedlichste Versorgungsmöglichkeiten inkorporiert. Auch in der Wiener Vorstadt entsteht nun ein ähnliches Konzept, welches eine psychosoziale Gesamtversorgung, Beratung, Psychotherapie etc. umfassen soll:

Das Projekt nennt sich ABIS – Aufblühen im Steinbruch (der Name leitet sich von der naturumgebenen und grünen Atmosphäre in einem alten stillgelegten Steinbruch in der unmittelbaren Nähe von Perchtoldsdorf und Mödling ab). Hier entstehen derzeit, im Auftrag der Familie Piller als Urheber des Projekts, zwei Häuser die beide dem Sinn und Zweck nach der Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung und deren Angehörigen zu nutzen gemacht werden sollen. Eines dieser Therapiehäuser soll in Kooperation mit „Rainman´s Home“ geführt werden, einem gemeinnützigen Trägerverein, der in Wien an drei Standorten Tagesstruktur anbietet und sich auf die Betreuung und Unterstützung von Menschen im Autismus-Spektrum Störungen und anderen ähnlichen Behinderungen spezialisiert hat. Zudem werden bei Bedarf Angehörige beraten, sowie Fortbildungen und Schulungen angeboten. Hier bei ABIS stehen neben den allgemeinen Angeboten der Tagesstruktur auch Gärtnerei und Behindertenwerkstatt im Fokus. Rainman’s Home ist aus einer Elterninitiative entstanden, daher wird der Elternperspektive bewusst großes Gewicht gegeben. Die Suche nach Anlaufstellen gestaltet sich auch heute noch für viele sehr schwierig und ist oft mit langen Wartezeiten verbunden. Ein ganz besonderer Aspekt bei dem nun entstehenden Projekt ist die gelebte Verknüpfung von Theorie und Praxis in einem ganzheitlichen Konzept, das interdisziplinär ausgerichtet ist.

Gleich nebenan entsteht ein zweites Haus, welches als psychosoziales Gesundheitszentrum vorgesehen ist und genau diese Lücke der Primärversorgung im klinischen und gesundheitspsychologischen Bereich schließen möchte. Hier wird viel Platz und Raum für die Arbeit von Psychotherapeut*innen, Klinischen und Gesundheitspsycholog*innen etc. geboten. Ziel ist es unter anderem auch eine möglichst ortsnahe und interdisziplinäre Versorgung bzw. Beratung, Diagnostik etc. für alle Menschen und für deren Familienangehörigen zu bieten, die die psychologische Hilfestellung dringend benötigen. Die Ausrichtung des „Therapiehauses ABIS“ als psychosoziales Gesundheitszentrum entspricht im Wesentlichen dem Ziel der Inkorporation von klinisch bzw. gesundheitspsychologischer Expertise in die Primärversorgung Österreichs und hat sich auch die Spezialisierung (wenn auch nicht ausschließlich) auf die Betreuung, Diagnostik und Aufklärungsarbeit von Familien, die einen Familienangehörigen mit Autismus-Spektrums Störung haben, zur Aufgabe gemacht.

Der bewusste interdisziplinäre Austausch zwischen ExpertInnen für Tagesstruktur und professioneller klinischer Psychologie füllt eine große und schwerwiegende Lücke der Versorgung wie Familie Piller in der eigenen Lebensgeschichte selbst erfahren musste. Das Projekt „ABIS – Aufblühen im Steinbruch“ soll hier Abhilfe schaffen. Es soll eine Anlaufstelle im Grünen entstehen, die von den schützenden und begrünten Hängen des alten Steinbruchs umfasst ist. Ein Ort der Ruhe und der Besinnung, welcher sich ideal für die Primärversorgung in friedlicher Umgebung eignet. Der alte Steinbruch bietet genug Platz für tiergestützte Therapie, gartenarbeitsbezogene Pädagogik und ermöglicht einen unterstützenden positiven Effekt der Natur in unmittelbarer Umgebung, bei gleichzeitiger räumlicher bzw. örtlicher Nähe zur Großstadt und den im Umland lebenden Patienten & Patientinnen.

Zusammenfassung:

Gerade die psychischen Nachwirkungen der Corona-Pandemie, haben Gesellschaft und Politik zu einem Umdenken in der Versorgung psychisch kranker Menschen gebracht. In diese Lücke fällt das Projekt „ABIS – Aufblühen Im Steinbruch“ und möchte, entsprechend der Zielsetzung des BÖP, einen Beitrag zur Verbesserung der psychosozialen Primärversorgung in Österreich leisten. Die Schaffung psychosozialer, interdisziplinär zusammenarbeitender und durch klinisch-psychologische Expertise geleiteter Versorgungszentren ist ein wichtiger Mosaikstein, in der Bewältigung der psychischen Folgen der Corona-Krise und der zukünftigen bzw. an den psychosozialen Bedürfnissen der Bevölkerung orientierten Entwicklung der Primärversorgung in Österreich.

Literatur: 

ABIS – eine Familie und ihr Lebensprojekt, ein Interview. (2021, September 13). Rainman’s Homehttps://rainman.at/abis-eine-familie-und-ihr-lebensprojekt-ein-interview/

Die neue Primärversorgung ist Schlüssel zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung. (o. J.). Abgerufen 3. Oktober 2021, von https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/?contentid=10007.843942&portal=svportal

Imfname_981535.pdf. (o. J.). Abgerufen 3. Oktober 2021, von https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_06161/imfname_981535.pdf

Mehr Gesundheit durch eine gestärkte Primärversorgung. (o. J.). Abgerufen 3. Oktober 2021, von https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Gesundheitssystem/Gesundheitsreform-(Zielsteuerung-Gesundheit)/Mehr-Gesundheit-durch-eine-gestaerkte-Primaerversorgung.html

Psychologie in der geplanten Primärversorgung massiv benachteiligt. (o. J.). OTS.at. Abgerufen 3. Oktober 2021, von https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170518_OTS0048/psychologie-in-der-geplanten-primaerversorgung-massiv-benachteiligt

Schabus, M., & Eigl, E.-S. (2021). „Jetzt Sprichst Du!“ Padiatrie Und Padologie, 1–7. https://doi.org/10.1007/s00608-021-00909-2

Stärkung der Primärver-sorgung durch Klinische PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen · BÖP. (o. J.). Abgerufen 3. Oktober 2021, von https://www.boep.or.at/berufspolitik/zentrale-berufspolitische-ziele/primaerversorgung