Einleitung
Die Gesundheit von Männern, sowohl körperlich als auch psychisch, zeigt weltweit alarmierende Muster, die immer mehr Aufmerksamkeit in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion gewinnen. Obwohl Männer in vielen Bereichen als das „starke Geschlecht“ wahrgenommen werden, zeigen statistische und klinische Erhebungen das Gegenteil: Männer haben eine signifikant niedrigere Lebenserwartung als Frauen und sind stärker von bestimmten körperlichen und psychischen Belastungen betroffen. Diese sogenannten „Männergesundheitslücken“ erfordern einen genaueren Blick auf die besonderen sozialen, kulturellen und gesundheitspolitischen Bedingungen, die die Lebensqualität und Gesundheit von Männern beeinträchtigen.
Körperliche Gesundheit von Männern: Der „Men’s Health Gap“
In fast allen Ländern der Welt leben Männer im Durchschnitt kürzer als Frauen und haben eine höhere Rate an Erkrankungen, insbesondere im Bereich der kardiovaskulären und onkologischen (krebsbedingten) Erkrankungen. Studien zeigen, dass Herzerkrankungen und Schlaganfälle bei Männern häufiger auftreten, und dass auch die Sterberate an fast allen Krebsarten – wie Lungen-, Leber- oder Magenkrebs – bei ihnen höher ist. Auch Leberzirrhose, häufig verursacht durch einen hohen Alkoholkonsum, tritt verstärkt bei Männern auf.
Dabei spielt das Verhalten eine zentrale Rolle: Männer neigen statistisch dazu, riskantere Verhaltensweisen an den Tag zu legen, wie häufiger Alkoholkonsum, intensives Rauchen und eine höhere Beteiligung an riskanten Freizeit- und Sportaktivitäten. Diese Faktoren erhöhen langfristig das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen und verschlechtern die Gesundheitssituation von Männern massiv. Eine weitere belastende Erkenntnis ist die erhöhte Suizidrate: Männer haben weltweit durchgehend höhere Suizidraten als Frauen, was auf eine Vielzahl komplexer Faktoren zurückzuführen ist, die neben psychischer Belastung auch sozialen Druck und eine geringere Hilfesuchbereitschaft umfassen.
Psychische Gesundheit von Männern: Stille Leiden und hohe Hürden
Die psychische Gesundheit von Männern ist ein Thema, das lange Zeit im Schatten stand und zunehmend als „unsichtbare Krise“ verstanden wird. Während Frauen häufiger mit psychischen Störungen diagnostiziert werden, sind Männer – wie schon erwähnt – stärker gefährdet, in Krisen mit Suizid zu reagieren. Die Gesellschaft vermittelt Männern oft von früher Kindheit an das Bild des „starken und unerschütterlichen Mannes“. Diese Erwartung führt dazu, dass Männer ihre Gefühle und Probleme häufig unterdrücken und psychische Belastungen verbergen, anstatt Hilfe zu suchen.
Viele Männer bewältigen ihren inneren Druck stattdessen durch Verhaltensweisen wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder durch aggressives Verhalten, was den Kreislauf von psychischer und körperlicher Belastung zusätzlich verstärkt. In diesem Zusammenhang wurde in der Forschung ein Syndrom der „maskierten Depression“ festgestellt, bei dem Männer typische depressive Symptome seltener erkennen oder zugeben, jedoch durch alternative, oft destruktive Verhaltensmuster wie übermäßigen Alkoholgenuss oder riskantes Verhalten auffallen.
Das Konzept der fragilen Männlichkeit
Ein zentrales, immer präsentes Konzept in der Diskussion um die Männergesundheit ist das der „fragilen Männlichkeit“. Nach dieser Theorie ist Männlichkeit kein festes, sondern ein stets zu beweisendes Konstrukt, das durch äußere Umstände bestätigt oder bedroht wird. Laut der Precarious Manhood Theory empfinden Männer das Bedürfnis, ihre Männlichkeit aktiv unter Beweis zu stellen – insbesondere dann, wenn sie das Gefühl haben, dass sie in ihrer gesellschaftlichen Rolle infrage gestellt werden. Dieser Druck führt nicht selten zu riskantem oder aggressivem Verhalten, das langfristig zu körperlichen und psychischen Schäden führt. Das Konzept der fragilen Männlichkeit zeigt, wie tief verwurzelte Geschlechterrollen ein Verhalten prägen, das nicht nur der eigenen Gesundheit, sondern auch der sozialen Umwelt schadet.
Widerstand gegen Veränderung und die Konsequenzen für die Männergesundheit
Die moderne Forschung zeigt, dass sich das traditionelle Männlichkeitsbild trotz gesellschaftlicher Veränderungen als relativ widerstandsfähig erwiesen hat. Junge Männer wachsen immer noch oft mit Vorstellungen auf, die stark auf Selbstbeherrschung, Durchsetzungsvermögen und Risikobereitschaft basieren. Diese traditionellen Werte haben zur Folge, dass Männer weniger geneigt sind, sich um ihre Gesundheit zu kümmern oder bei ersten Anzeichen von körperlichen oder psychischen Problemen frühzeitig professionelle Unterstützung zu suchen.
Es existieren jedoch auch alternative Konzepte der Männlichkeit, die in einigen modernen Gesellschaften an Akzeptanz gewinnen. Diese modernen Männlichkeitsbilder stellen emotionale Offenheit und das Bewusstsein für die eigene Gesundheit in den Vordergrund und betonen, dass Selbstfürsorge kein Zeichen von Schwäche ist. Männer, die diesen alternativen Männlichkeitsbildern folgen, zeigen sich offener gegenüber präventiven Gesundheitsmaßnahmen und legen mehr Wert auf ihre körperliche und psychische Gesundheit.
Gesundheit fördern: Gesellschaftliche und individuelle Ansätze
Eine Verbesserung der Männergesundheit erfordert Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen. Auf gesellschaftlicher Ebene sollten präventive Gesundheitsprogramme entwickelt werden, die speziell auf die Bedürfnisse und die Herausforderungen von Männern eingehen. Hierzu zählen Kampagnen, die dazu ermutigen, psychische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, sowie das Angebot niedrigschwelliger Hilfsprogramme, die Männern den Zugang zur psychischen Gesundheitsversorgung erleichtern. Eine wachsende Zahl von Organisationen setzt sich bereits für Männergesundheit ein und arbeitet daran, die Stigmatisierung psychischer Hilfe für Männer abzubauen und das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines gesunden Lebensstils zu stärken.
Auf individueller Ebene können Männer durch Selbstreflexion und die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten zur eigenen Gesundheit beitragen. Das bedeutet, das Erlernen von Mechanismen zur Emotionsregulation, das Aufbrechen traditioneller Denkmuster, die auf Männlichkeitsstereotypen beruhen, und das bewusste Annehmen und Ausdrücken von Emotionen. Auch die Unterstützung durch Freunde, Familie und berufliche Netzwerke spielt eine entscheidende Rolle dabei, Männern die Möglichkeit zu geben, ihre Gesundheit aufrechtzuerhalten und zu verbessern.
Fazit: Ein ganzheitlicher Blick auf Männergesundheit
Männergesundheit erfordert ein differenziertes Verständnis der spezifischen physischen und psychischen Herausforderungen, denen Männer ausgesetzt sind, und die Bereitschaft, soziale Normen und Gesundheitsstrategien neu zu denken. Ein Ansatz, der sowohl körperliche als auch psychische Gesundheit integriert, kann Männern helfen, die Erwartungen an das traditionelle Männlichkeitsbild zu überdenken und in Richtung einer gesunden und resilienten Zukunft zu lenken.
Literaturquellen zur Männergesundheit:
- Affleck, W., et al. (2018). Psychische und Verhaltensstörungen durch Substanzen und Impulskontrollstörungen bei Männern.
- Baker, P., et al. (2015). Unterschiedliche Sterblichkeitsraten zwischen den Geschlechtern und die Einflüsse sozialer Normen.
- Garfield, C., et al. (2008). Männer und die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten: Barrieren und Hilfsangebote.
- Nuzzo, R. (2019). Die „Men’s Health Gap“: Gesundheitliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern und geschlechtsspezifische Verhaltensmuster.
- Stiehler, A. (2018). Die soziale Konstruktion von Männlichkeit und ihre Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit.
Organisationen und Vereine die sich mit Männergesundheit auseinandersetzen:
- Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V. (DGMG)
Die DGMG ist eine deutsche Fachgesellschaft, die Männergesundheit durch Aufklärung, Prävention und Versorgungsangebote in den Fokus rückt. Ihre Schwerpunkte liegen auf der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Prostatakrebs und weiteren spezifischen Männergesundheitsthemen.
Webseite: mann-und-gesundheit.com - Stiftung Männergesundheit
Diese deutsche Stiftung setzt sich für eine gezielte Männergesundheitsstrategie ein. Sie unterstützt Forschungsprojekte, um das Bewusstsein für die spezifischen Gesundheitsrisiken bei Männern zu stärken und bietet umfassende Informationen zu physischen und psychischen Gesundheitsfragen.
Webseite: stiftung-maennergesundheit.de - Movember Foundation
Die Movember Foundation ist eine weltweit bekannte Wohltätigkeitsorganisation, die durch die jährliche „Movember“-Schnurrbart-Aktion Aufmerksamkeit auf Männergesundheit lenkt. Sie fördert Projekte zur Bekämpfung von Prostatakrebs, Hodenkrebs und psychischen Erkrankungen bei Männern, um deren Lebensqualität und Lebenserwartung zu verbessern.
Webseite: eu.movember.com